Mittwoch, 31. August 2016

Bericht vom Race around Austria 2016

Nachdem ich beim RAA bereits viermal in der Kategorie  4er-Team am Start stand, war es heuer an der Zeit, mich in der Königsdisziplin als Einzelfahrer zu versuchen. Die knapp 2.200 km lange Strecke mit ihren 30.000 Höhenmetern verlangte mir gehörigen Respekt ab. Die letzten Wochen und Monate waren geprägt von sehr viel Training, Vorbereitungsstress aber auch Nervosität und Anspannung. Ich war echt froh, als es am 9. Aug. endlich los ging.

Die letzten Stunden vor dem Start versuchte ich zuhause bestmöglich zu regenerieren. Meine Betreuer waren bereits nachmittags in St. Georgen vor Ort und bereiteten alles vor. Ich fuhr mit meiner Familie erst um 16 Uhr daheim los. Um 17 Uhr erreichten wir unser Team in St. Georgen und die Anspannung war jedem, vor allem mir, ins Gesicht geschrieben. Um 18 Uhr stellten wir uns im Startbereich auf. Dunkle Regenwolken über dem Innviertel ließen nichts Gutes erahnen. Um 18 Uhr 15 noch ein kurzes Interview und dann startete ich um 18:18 Uhr in die bisher größte Herausforderung meines Lebens.

Gerade einmal eine halbe Stunde auf der Strecke fing es schon an zu Regnen. Dort ahnte ich noch nicht, dass uns der Regen und die Kälte in den nächsten 20 Stunden begleiten werden. Ich ging es vom Tempo her gemütlich an und konnte trotzdem einige Konkurrenten (oder besser Leidensgenossen) überholen. Um 23.30 Uhr gönnte ich mir bei der Donaubrücke in Wesenufer ein paar Minuten Pause, da mich dort ein großer Fanklub jubelnd empfing.

Die erste Nacht im Inn- und Mühlviertel war regnerisch und arschkalt. In Sandl bei Freistadt wurde es langsam hell und ich freute mich, die erste von fünf Nächten geschafft zu haben. Nun stand das Waldviertel und das Burgenland am Programm. Die kilometerlangen Geraden im Burgenland waren für mich nicht gerade motivierend und ich freute mich fast schon auf die Berge. Leichte Schmerzen in beiden Knien aufgrund der kalten Nässe begleiteten mich schon seit einigen Stunden.

Nach 36 Stunden bzw. 870 km im Sattel wurde im Südburgenland die erste planmäßige Pause eingelegt, bei der ich mir gerade mal 20 Minuten Schlaf gönnte. Wie erhofft, wirkte diese Schlafpause recht gut und ich fühlte mich körperlich und mental fit. Lediglich mein Sitzfleisch bereitete mir zu diesem Zeitpunkt schon massive Probleme und Schmerzen.

In den frühen Morgenstunden des zweiten Tages ging es weiter über die südsteirische Weinstraße in die Steiermark. Dort warteten mit der Sobot und der Abtei die nächsten Anstiege. Während des Tages ging es mir recht gut. Beim Mannschaftswechsel in Finkenstein bin ich beim Massieren der Beine ungewollt eingenickt, was mir wieder fünf Minuten Schlaf verschafft hat.

Mit der Abenddämmerung erreichten wir Kötschach und ich musste nun das Lesachtal überwinden. Mittlerweile war ich 48 Stunden auf dem Rad bzw. 60 Stunden mit nur 20 Min. Schlaf ausgekommen. Bereits zu Beginn des kilometerlangen Anstieges merkte ich, dass ich aufgrund des Schlafentzuges ziemlich heftige Wahrnehmungsstörungen hatte. Mit der fehlenden Konzentration konnte ich auch keinen Druck mehr auf die Pedale bringen, wodurch das Lesachtal zu einer stundenlangen, schier endlosen Tortour wurde. Ich dachte mir ständig, dass ich nie oben ankomme. Bei der Abfahrt Richtung Lienz mussten wir öfters stehen bleiben, da ich Probleme hatte, auf der Straße die Linie zu halten. Das Problem mit meinem Sitzfleisch war mittlerweile zu einer blutenden, offenen Wunde ausgeartet und nur mehr mit Unmengen an Betäubungscreme auszuhalten.

Über die Nachricht, dass der Großglockner wegen Glatteisgefahr nicht befahren werden kann, war ich zu diesem Zeitpunkt, ehrlich gesagt, nicht beleidigt. Über Matrei ging es in Richtung Felbertauern. Dieser Streckenabschnitt war für mich Neuland und der Anstieg bis zum Felbertauerntunnel kam mir wieder ewig lang und sehr schwer vor. Bei der Durchfahrt durch den Tunnel mussten alle Radfahrer ins Auto und ich nutzte die Autofahrt, um zehn Minuten zu Schlafen.

Nach 60 Std. Fahrzeit erreichten wir früh morgens Mittersill und vor allem mein mentaler Zustand zwang mich wieder zu einer 20- minütigen Schlafpause. Einigermaßen fit ging es nun über den Gerlospass durch das Zillertal nach Innsbruck. Bei der Abfahrt von der Gerlos schüttete es wieder aus Kübeln und meine Betreuer mussten mich wieder mal komplett umziehen.

Bei Nieselregen und nur acht Grad arbeitete ich mich das Kühtai hinauf. Bei der Abfahrt Richtung Ötz merkte ich, dass mein Hinterrad wegen einem Platten schwammig reagierte. Nach raschem Radwechsel ging es relativ fit weiter über Landeck in Richtung Vorarlberg. Am Fusse des Paznauntals war ich körperlich und geistig einigermaßen fit. Aber schon nach kurzer Zeit verdunkelte sich meine Wahrnehmung und ich kämpfte die nächsten Stunden wieder gegen die extreme Müdigkeit. Ich hatte meine Gedanken teilweise nicht mehr unter Kontrolle, als ich z.B. fest davon überzeugt war, dass wir nicht im Paznauntal waren. Kurz vor der Passhöhe stieg ich schwindelig vom Rad. Meine Betreuer konnten mich überreden, die letzten zwei Kehren bis zur Bielerhöhe noch zu fahren. Oben legten wir eine 10-min. Schlafpause ein. Nach 75 Stunden Fahrzeit bzw. nach 1.600 km war mit der Silvretta Passhöhe in Vorarlberg der westlichste Punkt des Rennens erreicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir insgesamt 60 Minuten Schlaf gegönnt.

Vor der langen Abfahrt von der Silvretta nach Bludenz haben mich der Mut und das Selbstvertrauen verlassen. Nur mit penibel genauen Anweisungen per Funk durch meine Betreuer und teilweise im Schritttempo, konnten wir die Abfahrt bewältigen. Mittlerweile machten sich aufgrund des enormen Schlafentzuges derart heftige Wahrnehmungsstörungen und mentale Probleme bemerkbar, dass ich 2 Stunden nach meiner letzten kurzen Schlafpause kurz vor Bludenz wieder 30 Min. Schlaf brauchte. Für die Strecke von der Bielerhöhe nach Bludenz braucht man normalerweise knapp eineinhalb Stunden. Ich habe in meinem Zustand dafür fast drei Stunden gebraucht.

In der vierten Nacht stand mir nun das berüchtigte Faschinajoch und der Hochtannberg bevor. Wie ich auf das Faschinajoch raufgekommen bin, fehlt mir bis heute in meinen Erinnerungen. Laut meinen Betreuern bin ich aber gefahren wie „Alice im Wunderland“. Soll heißen, ich wusste nicht, warum ich gefahren bin, geschweige denn wohin ich fahren sollte. Ich bin halt einfach gefahren. Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichten wir die Passhöhe des Hochtannberg und die Sonne hauchte vor allem meinem Geist wieder etwas Leben und Motivation ein.

Am vierten Tag ging es bei Sonnenschein einige Stunden zügig voran. Mittlerweile waren 87 Std. und 1750 km geschafft. Am Vormittag kam der nächste Durchhänger und meine Betreuer entschieden, mir in Reutte mit 90 Min. erstmals eine längere Schlafpause zu verordnen. Am Nachmittag setzte mir auf der Inntalbundesstraße stundenlang heftiger Gegenwind körperlich und mental zu. Es war ziemlich frustrierend, wenn der Tacho auf ebenem Gelände gerade mal 20 km/h anzeigt. Bereits auf dem Heimweg durch Tirol brach die letzte Nacht an. In Lofer legte ich meine letzte kurze Schlafpause des Rennens ein. Ab Innsbruck begann meine Nackenmuskulatur zu schmerzen. Dieses Problem versuchte ich mit Abstützen durch meine Hände zu lindern. Auch meine Finger machten mir Sorgen, da das Taubheitsgefühl in den letzten Stunden immer intensiver wurde.

Über Saalfelden ging es nun zum Filzensattel und zum Dientnersattel, die beiden letzten nennenswerten Anstiege bis ins Ziel. Aufgrund heftiger Nackenschmerzen musste ich auf mein Ersatzrad wechseln. Nach einigen Umbaumaßnahmen konnte ich so aufrecht am Rad sitzen, dass die Nackenschmerzen erträglich waren. Überraschenderweise hatte ich sehr gute Beine und ich fuhr die beiden Berge ziemlich zügig.

Nun durfte ich mir schön langsam Gedanken darüber machen, dass das Ziel in greifbare Nähe rückt. Die Stimmung bei mir und bei meinen Betreuern wurde merkbar besser und verwandelte sich mit jedem Kilometer in Euphorie und Adrenalin. 50 km vor dem Ziel habe ich mit einem Lächeln im Gesicht zu meiner Frau Anita gesagt: „Jetzt bin ich schmerzfrei!“, was auch tatsächlich so war.

Am Sonntag um 8:45 Uhr erreichte ich nach einer Fahrzeit von 4 Tagen 14 Stunden und 25 Minuten die Ortstafel in St. Georgen. Dort angekommen, stieg ich ohne jegliche Emotionen vom Rad und war mit der Situation ziemlich überfordert. Ich wusste nicht recht, was los war und wie ich mit der Tatsache, dass das Ganze nun zu Ende war, umgehen sollte.

Nach 30 Minuten Wartepause wirkte ich vor allem geistig ziemlich fit. Nun wurde ich auf die Siegerbühne im Zentrum von St. Georgen gelotst, wo mich meine Betreuer, Verwandten und Freunde jubelnd empfingen. Mit voller Konzentration fuhr ich die Rampe auf die Bühne hoch. Jetzt brachen auch aus mir die Emotionen heraus und mit Tränen in den Augen und ziemlich aufgelöst viel ich meinen Betreuern in die Arme. Nach der Siegerehrung mit Sektdusche wurde im Gastgarten noch gefeiert und auf den Erfolg angestoßen. Voller Genuss und Freude hab ich mir ein Schnitzel und einen Radler gegönnt.

Mit meiner Fahrzeit von 110 Std. und 25 Min. konnte ich den hervorragenden 7. Platz erreichen. Am Ende stand eine Gesamtschlafdauer von 4 Std. 50 min zu Buche. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass ich mir vor allem in den ersten drei Tagen zu wenig Schlaf (nur 60 Min.) gegönnt habe. Ich habe im letzten Drittel viel Zeit auf der Strecke liegen lassen, da ich geistig oft völlig abwesend und orientierungslos unterwegs war.

Absolut perfekt funktioniert hat das Ernährungskonzept der Fa. Winforce. Ich habe mich auf den ersten vier Tagen ausschließlich mit Winforce Produkten ernährt. Mit ca. 80 Litern Carbo Getränk, 150 Gels (alle 45 Min. 1 Gel) und alle 5 Std. ein Protein Plus Getränk hatte ich vom Start bis ins Ziel immer ein gutes Gefühl, weder ein Hungergefühl noch Magenprobleme. Erst am letzten Tag habe ich ein paar mal Suppe dazu gegessen, was eher eine Belohnung für den Kopf war.
 
Unterm Strich musste ich bei diesem Rennen weit über meine Schmerzgrenze bzw. weit über die Grenze der Vernunft gehen, um ins Ziel zu kommen. Doch in meinen Gedanken kamen nie Zweifel auf, dass ich alles daran setze, um das Ziel zu erreichen. Mein Team und ich waren immer bester Laune. Vor allem die ständige mentale Unterstützung meiner Betreuer, die vor allem in der Nacht extrem gefordert waren, trug zu diesem Erfolg bei.

DANKE an meine Betreuer, die mich immer perfekt unterstützt und versorgt haben:
Anita Hoffmann, Jürgen Hoffmann, Wolfgang Dunzinger, Markus Pointinger, Thomas Groisshammer, Fritz Schauer, Herbert Schuster und Reinhard Weiss.

DANKE an Günter Maier von der Firma Maier & Stelzer sowie an die Firma Ford Danner aus Schlüßlberg für die Begleitfahrzeuge.

DANKE an meine Sponsoren, ohne die ein solches Projekt nicht finanzierbar wäre:

·         Lagerhaus Eferding- Grieskirchen
·         Ecklmair Baggerungen, Peuerbach
·         Hellmayr GmbH, St. Marienkirchen
·         Swietelsky BaugesmbH, Taufkirchen a.d.Pram
·         RC Wiesinger Held & Francke
·         Held & Francke BaugesmbH, Pupping
·         IsoTech, Waizenkirchen
·         Lebau Partnernetzwerk & Bau GmbH, Grieskirchen
·         Emens - Michael Neuweg, Prambachkirchen
·         Grieskirchner Bier, Grieskirchen
·         Rittmeyer GesmbH, Wien
·         Raiffeisenbank, Region Eferding
·         Gasthaus Mariandl, Waizenkirchen
·         Cafe Mair, Waizenkirchen
·         s’Wirtshaus, St. Thomas
·         Rabeder Ernst, Waizenkirchen
·         Franz Leitner GmbH, Wels
·         Maier & Stelzer, Eferding
·         Autohaus Ford Danner, Schlüßlberg
·         CFK Kronlachner, Kematen
·         Winforce AG (hochwertige Sportnahrung)

DANKE an Erwin Hinterleitner, Rupert Weissenböck und Markus Weiss für die Unterstützung bei der Sponsorensuche.

DANKE an meine gesamte Familie, vor allem an meine Frau Anita, die mich nicht nur vor, während und nach dem Rennen in jeder nur erdenklichen Weise perfekt unterstützt hat, sondern auch immer Verständnis für die vielen, vielen Trainingsstunden gezeigt hat.

DANKE auch an meine Verwandtschaft für die Unterstützung, für das Mitfiebern und für den tollen Empfang im Ziel.

Weitere Info´s unter
www.rc-wiesinger.com

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