Die letzten Stunden vor dem Start versuchte ich
zuhause bestmöglich zu regenerieren. Meine Betreuer waren bereits nachmittags
in St. Georgen vor Ort und bereiteten alles vor. Ich fuhr mit meiner Familie
erst um 16 Uhr daheim los. Um 17 Uhr erreichten wir unser Team in St. Georgen
und die Anspannung war jedem, vor allem mir, ins Gesicht geschrieben. Um 18 Uhr
stellten wir uns im Startbereich auf. Dunkle Regenwolken über dem Innviertel
ließen nichts Gutes erahnen. Um 18 Uhr 15 noch ein kurzes Interview und dann
startete ich um 18:18 Uhr in die bisher größte Herausforderung meines Lebens.
Gerade einmal eine halbe Stunde auf der Strecke fing
es schon an zu Regnen. Dort ahnte ich noch nicht, dass uns der Regen und die
Kälte in den nächsten 20 Stunden begleiten werden. Ich ging es vom Tempo her
gemütlich an und konnte trotzdem einige Konkurrenten (oder besser
Leidensgenossen) überholen. Um 23.30 Uhr gönnte ich mir bei der Donaubrücke in
Wesenufer ein paar Minuten Pause, da mich dort ein großer Fanklub jubelnd
empfing.
Die erste Nacht im Inn- und
Mühlviertel war regnerisch und arschkalt. In Sandl bei Freistadt wurde es
langsam hell und ich freute mich, die erste von fünf Nächten geschafft zu
haben. Nun stand das Waldviertel und das Burgenland am Programm. Die
kilometerlangen Geraden im Burgenland waren für mich nicht gerade motivierend
und ich freute mich fast schon auf die Berge. Leichte Schmerzen in beiden Knien
aufgrund der kalten Nässe begleiteten mich schon seit einigen Stunden.
Nach 36 Stunden bzw. 870 km im
Sattel wurde im Südburgenland die erste planmäßige Pause eingelegt, bei der ich
mir gerade mal 20 Minuten Schlaf gönnte. Wie erhofft, wirkte diese Schlafpause
recht gut und ich fühlte mich körperlich und mental fit. Lediglich mein Sitzfleisch
bereitete mir zu diesem Zeitpunkt schon massive Probleme und Schmerzen.
In den frühen Morgenstunden des
zweiten Tages ging es weiter über die südsteirische Weinstraße in die
Steiermark. Dort warteten mit der Sobot und der Abtei die nächsten Anstiege.
Während des Tages ging es mir recht gut. Beim Mannschaftswechsel in Finkenstein
bin ich beim Massieren der Beine ungewollt eingenickt, was mir wieder fünf
Minuten Schlaf verschafft hat.
Mit der Abenddämmerung erreichten
wir Kötschach und ich musste nun das Lesachtal überwinden. Mittlerweile war ich
48 Stunden auf dem Rad bzw. 60 Stunden mit nur 20 Min. Schlaf ausgekommen.
Bereits zu Beginn des kilometerlangen Anstieges merkte ich, dass ich aufgrund
des Schlafentzuges ziemlich heftige Wahrnehmungsstörungen hatte. Mit der
fehlenden Konzentration konnte ich auch keinen Druck mehr auf die Pedale
bringen, wodurch das Lesachtal zu einer stundenlangen, schier endlosen Tortour
wurde. Ich dachte mir ständig, dass ich nie oben ankomme. Bei der Abfahrt
Richtung Lienz mussten wir öfters stehen bleiben, da ich Probleme hatte, auf
der Straße die Linie zu halten. Das Problem mit meinem Sitzfleisch war
mittlerweile zu einer blutenden, offenen Wunde ausgeartet und nur mehr mit
Unmengen an Betäubungscreme auszuhalten.
Über die Nachricht, dass der
Großglockner wegen Glatteisgefahr nicht befahren werden kann, war ich zu diesem
Zeitpunkt, ehrlich gesagt, nicht beleidigt. Über Matrei ging es in Richtung
Felbertauern. Dieser Streckenabschnitt war für mich Neuland und der Anstieg bis
zum Felbertauerntunnel kam mir wieder ewig lang und sehr schwer vor. Bei der
Durchfahrt durch den Tunnel mussten alle Radfahrer ins Auto und ich nutzte die Autofahrt,
um zehn Minuten zu Schlafen.
Nach 60 Std. Fahrzeit erreichten
wir früh morgens Mittersill und vor allem mein mentaler Zustand zwang mich wieder
zu einer 20- minütigen Schlafpause. Einigermaßen fit ging es nun über den
Gerlospass durch das Zillertal nach Innsbruck. Bei der Abfahrt von der Gerlos
schüttete es wieder aus Kübeln und meine Betreuer mussten mich wieder mal
komplett umziehen.
Bei Nieselregen und nur acht Grad
arbeitete ich mich das Kühtai hinauf. Bei der Abfahrt Richtung Ötz merkte ich,
dass mein Hinterrad wegen einem Platten schwammig reagierte. Nach raschem
Radwechsel ging es relativ fit weiter über Landeck in Richtung Vorarlberg. Am
Fusse des Paznauntals war ich körperlich und geistig einigermaßen fit. Aber
schon nach kurzer Zeit verdunkelte sich meine Wahrnehmung und ich kämpfte die
nächsten Stunden wieder gegen die extreme Müdigkeit. Ich hatte meine Gedanken
teilweise nicht mehr unter Kontrolle, als ich z.B. fest davon überzeugt war,
dass wir nicht im Paznauntal waren. Kurz vor der Passhöhe stieg ich schwindelig
vom Rad. Meine Betreuer konnten mich überreden, die letzten zwei Kehren bis zur
Bielerhöhe noch zu fahren. Oben legten wir eine 10-min. Schlafpause ein. Nach 75
Stunden Fahrzeit bzw. nach 1.600 km war mit der Silvretta Passhöhe in
Vorarlberg der westlichste Punkt des Rennens erreicht. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatte ich mir insgesamt 60 Minuten Schlaf gegönnt.
Vor der langen Abfahrt von der
Silvretta nach Bludenz haben mich der Mut und das Selbstvertrauen verlassen.
Nur mit penibel genauen Anweisungen per Funk durch meine Betreuer und teilweise
im Schritttempo, konnten wir die Abfahrt bewältigen. Mittlerweile machten sich
aufgrund des enormen Schlafentzuges derart heftige Wahrnehmungsstörungen und
mentale Probleme bemerkbar, dass ich 2 Stunden nach meiner letzten kurzen
Schlafpause kurz vor Bludenz wieder 30 Min. Schlaf brauchte. Für die Strecke
von der Bielerhöhe nach Bludenz braucht man normalerweise knapp eineinhalb
Stunden. Ich habe in meinem Zustand dafür fast drei Stunden gebraucht.
In der vierten Nacht stand mir nun
das berüchtigte Faschinajoch und der Hochtannberg bevor. Wie ich auf das
Faschinajoch raufgekommen bin, fehlt mir bis heute in meinen Erinnerungen. Laut
meinen Betreuern bin ich aber gefahren wie „Alice im Wunderland“. Soll heißen, ich
wusste nicht, warum ich gefahren bin, geschweige denn wohin ich fahren sollte.
Ich bin halt einfach gefahren. Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichten wir die
Passhöhe des Hochtannberg und die Sonne hauchte vor allem meinem Geist wieder
etwas Leben und Motivation ein.
Am vierten Tag ging es bei Sonnenschein
einige Stunden zügig voran. Mittlerweile waren 87 Std. und 1750 km geschafft.
Am Vormittag kam der nächste Durchhänger und meine Betreuer entschieden, mir in
Reutte mit 90 Min. erstmals eine längere Schlafpause zu verordnen. Am
Nachmittag setzte mir auf der Inntalbundesstraße stundenlang heftiger Gegenwind
körperlich und mental zu. Es war ziemlich frustrierend, wenn der Tacho auf
ebenem Gelände gerade mal 20 km/h anzeigt. Bereits auf dem Heimweg durch Tirol
brach die letzte Nacht an. In Lofer legte ich meine letzte kurze Schlafpause
des Rennens ein. Ab Innsbruck begann meine Nackenmuskulatur zu schmerzen.
Dieses Problem versuchte ich mit Abstützen durch meine Hände zu lindern. Auch
meine Finger machten mir Sorgen, da das Taubheitsgefühl in den letzten Stunden immer
intensiver wurde.
Über Saalfelden ging es nun zum
Filzensattel und zum Dientnersattel, die beiden letzten nennenswerten Anstiege
bis ins Ziel. Aufgrund heftiger Nackenschmerzen musste ich auf mein Ersatzrad
wechseln. Nach einigen Umbaumaßnahmen konnte ich so aufrecht am Rad sitzen,
dass die Nackenschmerzen erträglich waren. Überraschenderweise hatte ich sehr
gute Beine und ich fuhr die beiden Berge ziemlich zügig.
Nun durfte ich mir schön langsam
Gedanken darüber machen, dass das Ziel in greifbare Nähe rückt. Die Stimmung
bei mir und bei meinen Betreuern wurde merkbar besser und verwandelte sich mit
jedem Kilometer in Euphorie und Adrenalin. 50 km vor dem Ziel habe ich mit
einem Lächeln im Gesicht zu meiner Frau Anita gesagt: „Jetzt bin ich schmerzfrei!“,
was auch tatsächlich so war.
Am Sonntag um 8:45 Uhr erreichte
ich nach einer Fahrzeit von 4 Tagen 14 Stunden und 25 Minuten die Ortstafel in
St. Georgen. Dort angekommen, stieg ich ohne jegliche Emotionen vom Rad und war
mit der Situation ziemlich überfordert. Ich wusste nicht recht, was los war und
wie ich mit der Tatsache, dass das Ganze nun zu Ende war, umgehen sollte.
Nach 30 Minuten Wartepause wirkte
ich vor allem geistig ziemlich fit. Nun wurde ich auf die Siegerbühne im
Zentrum von St. Georgen gelotst, wo mich meine Betreuer, Verwandten und Freunde
jubelnd empfingen. Mit voller Konzentration fuhr ich die Rampe auf die Bühne hoch.
Jetzt brachen auch aus mir die Emotionen heraus und mit Tränen in den Augen und
ziemlich aufgelöst viel ich meinen Betreuern in die Arme. Nach der Siegerehrung
mit Sektdusche wurde im Gastgarten noch gefeiert und auf den Erfolg angestoßen.
Voller Genuss und Freude hab ich mir ein Schnitzel und einen Radler gegönnt.
Mit meiner Fahrzeit von 110 Std. und 25 Min. konnte
ich den hervorragenden 7. Platz erreichen. Am Ende stand eine Gesamtschlafdauer
von 4 Std. 50 min zu Buche. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass ich mir vor
allem in den ersten drei Tagen zu wenig Schlaf (nur 60 Min.) gegönnt habe. Ich
habe im letzten Drittel viel Zeit auf der Strecke liegen lassen, da ich geistig
oft völlig abwesend und orientierungslos unterwegs war.
Absolut perfekt funktioniert hat das Ernährungskonzept
der Fa. Winforce. Ich habe mich auf den ersten vier Tagen ausschließlich mit
Winforce Produkten ernährt. Mit ca. 80 Litern Carbo Getränk, 150 Gels (alle 45
Min. 1 Gel) und alle 5 Std. ein Protein Plus Getränk hatte ich vom Start bis
ins Ziel immer ein gutes Gefühl, weder ein Hungergefühl noch Magenprobleme.
Erst am letzten Tag habe ich ein paar mal Suppe dazu gegessen, was eher eine
Belohnung für den Kopf war.
Unterm Strich musste ich bei diesem Rennen weit über
meine Schmerzgrenze bzw. weit über die Grenze der Vernunft gehen, um ins Ziel
zu kommen. Doch in meinen Gedanken kamen nie Zweifel auf, dass ich alles daran
setze, um das Ziel zu erreichen. Mein Team und ich waren immer bester Laune.
Vor allem die ständige mentale Unterstützung meiner Betreuer, die vor allem in
der Nacht extrem gefordert waren, trug zu diesem Erfolg bei.
DANKE an meine Betreuer, die mich immer perfekt
unterstützt und versorgt haben:
Anita Hoffmann, Jürgen Hoffmann, Wolfgang Dunzinger, Markus Pointinger, Thomas Groisshammer, Fritz Schauer, Herbert Schuster und Reinhard Weiss.
Anita Hoffmann, Jürgen Hoffmann, Wolfgang Dunzinger, Markus Pointinger, Thomas Groisshammer, Fritz Schauer, Herbert Schuster und Reinhard Weiss.
DANKE an Günter Maier von der Firma Maier &
Stelzer sowie an die Firma Ford Danner aus Schlüßlberg für die
Begleitfahrzeuge.
DANKE an meine Sponsoren, ohne die ein solches Projekt
nicht finanzierbar wäre:
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Lagerhaus Eferding-
Grieskirchen
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Ecklmair Baggerungen, Peuerbach
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Hellmayr GmbH, St.
Marienkirchen
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Swietelsky BaugesmbH,
Taufkirchen a.d.Pram
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RC Wiesinger Held & Francke
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Held & Francke BaugesmbH,
Pupping
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IsoTech, Waizenkirchen
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Lebau Partnernetzwerk & Bau
GmbH, Grieskirchen
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Emens - Michael Neuweg,
Prambachkirchen
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Grieskirchner Bier,
Grieskirchen
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Rittmeyer GesmbH, Wien
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Raiffeisenbank, Region Eferding
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Gasthaus Mariandl,
Waizenkirchen
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Cafe Mair, Waizenkirchen
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s’Wirtshaus, St. Thomas
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Rabeder Ernst, Waizenkirchen
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Franz Leitner GmbH, Wels
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Maier & Stelzer, Eferding
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Autohaus Ford Danner,
Schlüßlberg
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CFK Kronlachner, Kematen
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Winforce AG (hochwertige
Sportnahrung)
DANKE an Erwin Hinterleitner, Rupert Weissenböck und
Markus Weiss für die Unterstützung bei der Sponsorensuche.
DANKE an meine gesamte Familie, vor allem an meine
Frau Anita, die mich nicht nur vor, während und nach dem Rennen in jeder nur
erdenklichen Weise perfekt unterstützt hat, sondern auch immer Verständnis für
die vielen, vielen Trainingsstunden gezeigt hat.
DANKE auch an meine Verwandtschaft für die
Unterstützung, für das Mitfiebern und für den tollen Empfang im Ziel.
Weitere Info´s unter
www.rc-wiesinger.com
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